12. Januar 2015

Nitro - Logitronic / Schizo


1982 - 9:14 Min.
Keine Homepage, kein Label

Die Songs:

A - Logitronic 4:44
B - Schizo 4:30

8 von 10 :  Hoot af

Ein ganz besonderes Juwel münsterländischer Musik ist mir vor ein paar Jahren (wieder) in die Hände gefallen. Die Steinfurter NITRO hatten Anfang der 80er Jahre eine EP mit nur zwei Songs (Logitronic und Schizo) in Eigenregie veröffentlicht. Die inzwischen rare Scheibe möchte ich Euch jetzt gern vorstellen.

Vorab jedoch noch schnell eine Anmerkung in eigener Sache. Was die Platte für mich persönlich so bemerkenswert macht, ist zwar nebensächlich, aber schnell erzählt: Ich hatte mir in der Zeit der Veröffentlichung, also als junger Teenie, einen Job als Helfer eines Porzellangrosshändlers gesucht. Das war bei der Borghorster Firma Lohmeier, dessen Sohn Gert Keyboarder bei NITRO war. Ich interessierte mich schon damals sehr für Rockmusik und so kamen wir schnell ins Gespräch. Nicht nur, dass der liebe Gert mir beibrachte wie man sich seine Fluppen selber dreht, nein er schenkte mir eine Kopie der soeben veröffentlichten Platte (die in meiner Sammlung allerdings ein kümmerliches Dasein fristete). Meine Musik war das zu der Zeit leider nicht, und als dann Jahre später der Markt von der CD überfallartig geblendet und unterwandert wurde, erging es mir wie vielen anderen Vollpfosten auch. Ich erlag der Versuchung, meine Schallplattenschätze durch emotionlose Silberlinge zu ersetzen. Ihr könnt es Euch sicher denken...auch die NITRO-EP kam bei Rock & Beat in Münster unter den "Ich Vollidiot verschenke heute eine gepflegte Plattensammlung und ärgere mich für den Rest meines Lebens" - Hammer. Ich liess meine Vinylschätze damals jämmerlich im Stich und darf ihnen zur Strafe heute noch hinterherheulen...

Naja, die Jahre vergingen, ich wurde erwachsen, oder sagen wir ich wuchs heran...und in der Nachbarschaft (um es genau zu sagen, ein Haus weiter) stand all die Jahre eine sehr gut erhaltene Kopie herum, von der ich nix wusste. Mein Nachbar hatte nämlich kurz vor mir auch als Helfer für den Gert bzw. dessen Eltern gejobbt und ebenfalls eine Kopie (ja, Gert muss sehr stolz gewesen sein) geschenkt bekommen. Er hat übrigens nie angefangen zu quarzen..

Ich habe sie ihm dann natürlich abgeschwatzt, für ihn auf CD gebrannt und durfte das Teil fortan in mein Plattenregal stellen, wo es heute wohlbehütet aufbewahrt wird. Unnützes Wissen, ich weiss...aber das will halt auch mal erzählt werden. Zurück zum Wesentlichen:

NITRO bestand aus folgenden Musikern:
  • Souly Bäumer - Gesang
  • Udo Dinkelbach - Gitarre / Chorus
  • Gert Lohmeier - Tasteninstrumente / Chorus
  • Achim Plass - Bass / Chorus
  • Hans Joachim Wiens - Schlagzeug

Musikalisch ging das Ganze in die klassische 80er Jahre Deutschrock - Richtung mit ganz leichtem New Wave Einschlag, hörbar beeinflusst von lokalen Bands wie Marylin oder der Törner Stier Crew, als auch von der damals grassierenden Neuen Deutschen Welle, ohne aber die grenzwertige Debilität späterer NDW-Clowns zu erreichen. Der Keyboardsound, besonders in Logitronic hörbar, ist in der heutigen Musik so jedenfalls nicht mehr vorstellbar.

Was mich beeindruckt ist die selbstbewusste Musik und handwerkliche Qualität der damals noch jungen Musiker, als auch die erstaunlich gute Produktion, für die ein gewisser Carl Cordier verantwortlich zeichnete. Dessen 1978 gegründete Firma Westfalen Sound firmiert heute übrigens als PoolGroup GmbH mit Firmensitz Emsdetten und betreut neben musikalischen Events auch Grossveranstaltungen der Politik. Wie gesagt, die Scheibe ist erstaunlich sauber produziert, ob nun Gitarre, Bass oder Schlagzeug, sämtliche Instrumente sind sehr gut heraus zu hören. 

Die Aussage der beiden Stücke ist sicherlich nicht Pulitzerpreis-verdächtig, darf aber als interessant betrachtet werden:  
"Elektronikmenschen, absolut perfekt, atomare Körper, sorgsam durchgecheckt. Unsichtbare Waffen, sauber, sicher, schnell. Digitales Denken, ultradimensionell." oder der Refrain "Elektronik wunderbar, Japan und Amerika...usw." lassen in Logitronic natürlich erkennen, wann die Platte erschien, nämlich 1982, in der Zeit des Kalten Krieges. In der Zeit der beginnenden Computerisierung, die von einer unterschwelligen Verunsicherung durch die Ost-West Politik und der entsprechenden Berichterstattung, als auch enormen technischen Neuerungen geprägt war. Entsprechend unnahbar-unterkühlt ist die Atmosphäre des Stückes denn auch ausgefallen.  

Die B-Seite Schizo hingegen ist eine astreine Rocknummer, die zwar einen eher problembezogenen Hintergrund der Marke "Ich schleiche durch die Gassen uns'rer alten Stadt. Ich hab kein' Bock auf Leute, ich hab die Menschen satt...Schizophrenie" spendiert bekommen hat, durch die bluesrockige Atmosphäre jedoch eher eine lockere Stimmung transportiert. Mir gefällt, dass die Jungs es damals geschafft haben, ihre Musik richtig grooven  und in keinem Moment hölzern oder gar amateurhaft wirken zu lassen. Schade dass es keine weiteren Aufnahmen von NITRO gibt, zumindest ist mir nichts bekannt...

Was die Musiker heute so machen, ist mir bis dato nicht bekannt. Hansi Wiens wohnt in Laer und betreibt ein Busunternehmen, Udo Dinkelbach wohnt in Burgsteinfurt und hat mit seiner Ehefrau ein kleines Heimstudio eingerichtet, in dem er seine eigene Musik produziert, Gert habe ich nie wieder gesehen, er ist aus Borghorst unbekannt verzogen und was der Rest der Truppe macht, finde ich sicher irgendwann einmal heraus.

Ich würde Euch die beiden Songs gern hier präsentieren, möchte dies aber nicht ohne ausdrückliche Genehmigung tun. Mal sehen ob aus dem angekündigten Interview doch noch etwas wird. Vielleicht gibt es dann ja auch interessante Details über die Geschichte der Band NITRO zu vermelden.

So long...